Bodö Jazz Open 2024 - Stormy Weather in Windy City (Deutsch)

Um die ca. 100 km nördlich des Polarkreises gelegene nordnorwegische Hafenstadt Bodö zu erreichen, muss ich mit dem Zug von Bremen über Hamburg kommend zweimal das Flugzeug wechseln. Von München wären es mit dem Auto und der Fähre immerhin 2.798 km. Gut 50.000 Einwohner hat die Europäische Kulturhauptstadt 2024 und ein renommiertes Jazz Festival. Der Pianist, Komponist und Hochschullehrer Jan Gunnar Hoff gehört zu den Gründern. In diesem Jahr ist er einer der Hauptakteure und kann mit seinen drei Auftritten seine Vielseitigkeit zeigen. Das Konzert im Duo mit der Sängerin Silje Nergaard am Sonntag muss wegen der großen Nachfrage zweimal stattfinden. Am Montag stellt er das Trio Hoff/Somsen/Lindholm vor. Mit dem niederländischen Bassisten und dem dänischen Drummer bietet er hochklassigen Jazz im Saal des Kulturzentrums Beddingen, dem Sitz des Ad Lib Jazzklubs. Die im Herbst erscheinende und in Kopenhagen aufgenommene CD ist bereits fertig und hält, was der Liveauftitt verspricht. Auch das Abschlusskonzert ist international besetzt: Der Keyboarder Hoff und E-Bassist Per Mathisen holen sich mit dem Briten Garry Husband und dem Gitarristen Nguyên Lê spielfreudige Verstärkung.  Es zeigt sich, dass in Norwegen sowohl für elektrischen Sound und Fusion ein begeistertes Publikum zu finden ist.

Auch der norwegische Keyboarder Jørn Øien aus Tromsø, eine Art Joe Zawinul des Nordens, begeistert sein Publikum mit seiner Band Cosmopolitan. Passenderweise beginnt er am Dienstag sein Konzert mit dem Stück Stormy Weather von Weather Report.

Steve Hackett & Djabe haben am Mittwoch mit etwa 500 Gästen das größte Publikum. Der 74-jährige Ex - Genesis Gitarrist untermauert seinen Status als Mitglied der Rock 'Roll Hall of Fame und zusammen machen sie deutlich, dass sie in derselben Liga spielen..

Mit der  Band Jaga Jazzist fällt ein Hauptact wegen logistischer Probleme aus. Das Sturmtief Ingunn hat mehrere Tage gewütet und die Landesteile Nordland und Troms lahmgelegt. Das Extremwetter bringt einiges durcheinander, weil immer wieder Flüge ausfallen und auch Besucher aufgrund der Wetterlage gezwungen sind, zuhause zu bleiben. Am Donnerstag, dem 1.2.2024 gibt es sogar Katastrophenalarm mit der Aufforderung an die Bevölkerung in Troms und Nordland, das Haus nicht zu verlassen. Das Orga-Team meistert diese Sysiphosaufgabe mit Bravour. 

Steve Hackett & Djabe haben am Mittwoch mit etwa 500 Gästen das größte Publikum. Der 74-jährige Ex - Genesis Gitarrist untermauert seinen Status als Mitglied der Rock 'Roll Hall of Fame und zusammen machen sie deutlich, dass sie in derselben Liga spielen.

Der norwegische  Tenorsaxophonist und Komponist Marius Neset mit seiner neuen Gruppe spielt am gleichen Tag Stücke aus dem aktuellen Album "Happy". Pianist Elliot Galvin übernimmt auch die Keyboards, weil Magnus Hjorth nicht mit von der Partie ist.

Die Band versprüht eine enorme Energie, das kongeniale rhythmische Zusammenspiel zwischen ihm und Anton Eger dürfte einstweilen bekannt sein. Auch die beiden Briten sind auf Augenhöhe dabei. Bjørn Willadsen vom Mittelnorwegischen Jazzzentrum und Manager des Trondheim Jazzorchesters urteilt am nächsten Morgen beim Frühstück: "Marius Neset hat inzwischen das nächste Level erreicht!" Das Stück Happy ist auf Youtube zu hören: Marius Neset Quartet, Bodø Jazz Open, 31.01.2024.

Ketil Bjørnstad ist ein weiterer großer Name im Line-up. Sturm Ingunn erzwingt die Verlegung seitens Konzertes auf Freitag, auch die moderne Kirche in Rønvik als Veranstaltungsort ist improvisiert. Der Pianist, Komponist und Literat ist seit den Siebzigern fest im norwegischen Kulturleben verankert. Er wird zunächst ausgiebig interviewt, um dann am Klavier zu zeigen, dass Mozart in seinen Augen ein Pionier des Jazz war und seine Verbindung zum Abbey Road Studio ihn musikalisch beflügelt hat: Lady Madonna war an dem Abend eine seiner wichtigen Musen. Das zahlreiche Publikum feiert seinen Ausnahmekünstler zurecht.

Erstaunlich, wie es die Norweger hinbekommen in dem fast menschenleeren Nordnorwegen ein solches Festival auf die Beine zustellen, das von einer gut vernetzten Jazzszene mitgetragen wird. Das Programm weist immerhin 38 Veranstaltungen auf. Die Tatsache, dass es nördlich des Polarkreises eine im Aufbau befindliche, aber schon gut funktionierende Arktische Philharmonie gibt, verdient besondere Beachtung.

Das vorletzte Konzert ist gleichzeitig das Eröffnungskonzert der Europäischen Kulturhauptstadt Bodø 2024. Zwei junge Musiker aus Nordland bringen völlig verschiedene Auftragskompositionen für ihren eigenen Auftritt im Zusammenspiel mit der Arktisk Filharmoni ein. Mit von der Partie das Trio des in Berlin lebende Jazzpianisten und Komponisten Joakim Rainer Petersen, der zusätzlich seine Lieblingssaxofonistin Ingrid Laubrock mitbringt. Die Pianistin Liv Andra Hauge steuert ihr Pianotrio mit drei Vokalisten sowie ihre Komposition bei. Alexander Aarøen komponiert als Dritter ein längeres klassisches Stück für das Orchester. Es sind zeitweise mehr als 60 Musiker und Musikerinnen auf der Bühne. Sie erhalten einen langen und herzlichen Schlussapplaus vom Publikum des bis auf den letzten Platz besetzten großen Konzertsaales.

Um Ihre musikalische Zukunft brauchen die Nordländer sich keine Sorgen zu machen.


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